Eine hammermäßige Sportskanone

Anja Weiss vom TuS Garching, frischgebackene Deutsche Hammerwurf-Jugendmeisterin, ist auch im Karate und Tennis stark

Wie gut, dass gerade Schulferien sind. "Das Telefon läutet durchgehend", erzählt Anja Weiss, "Verwandschaft, Trainer, Freunde ..." Die Zahl der Gratulanten nimmt kein Ende, seit die Garchingerin vergangenen Samstag den Deutschen Meistertitel im Hammerwerfen der weiblichen Jugend U 18 gewonnen hat. Kein Wunder auch, denn ihr 1. Platz war eine Riesenüberraschung.

? "Keiner hat damit gerechnet ? am allerwenigsten wahrscheinlich ich selbst." Lachend schüttelt Anja Weiss den Kopf, als sie am Rande der Siegerehrung im Sindelfinger Glaspalast beim Video-Interview von "leichtathletik.tv" zu ihrem Coup befragt wird. Draußen, zehn Gehminuten von der Halle entfernt, hatte die 16-Jährige zuvor bei den Winterwurfmeisterschaften den Wettkampf ihres Lebens absolviert. Sie schleuderte den drei Kilo schweren Hammer auf 50,03 m ? Goldmedaille!

? Doch wie ein kommender Champion war Weiss zunächst gar nicht aufgetreten. Gemeldet mit ihrem persönlichem Rekord von 51,20 m, den sie Anfang Januar beim Sieg auf der "Bayerischen" in Achenmühle aufgestellt hatte, landete ihr erster Versuch bei ernüchternden 41,92 m. "Ich wollte einen Sicherheitswurf machen, war aber unglaublich nervös", schildert sie. Doch den anderen 16 Werferinnen erging es nicht besser, und so startete Weiss sogar als Führende in den zweiten Durchgang.

? Dort indes fiel die Elftklässlerin vom Altöttinger König-Karlmann-Gymnasium mit einem ungültigen Versuch auf Rang 4 zurück, musste um den Einzug in den Endkampf bangen. Den plötzlichen Druck konnte Weiss aber offenbar ausblenden. Sie habe vor dem dritten Versuch "gewusst: hopp oder top" und "einfach nur geworfen". Und wie: Knapp über die 50-m-Marke! War das schon der Treppchen-platz? "In dem Moment hab ich’s gehofft", sagt Weiss, es sei "aber noch nicht absehbar" gewesen.

? Im Finale der besten acht gelangen ihr nur noch Weiten zwischen 44,40 und 46,06 m. Sie habe also "bis ganz zum Schluss zittern müssen". Doch keine der Konkurrentinnen konnte Weiss den Sieg streitig machen. Vor Tina Tilger (LG Eintracht Frankfurt/48,24) und Naomi Stegman (Bayer Leverkusen/46,68) hatte sie Gold sicher.

?Und der Jubel kannte keine Grenzen. Ihre Eltern, Papa Herbert und Mama Anita, und ihr kleiner Bruder Tobias (10) nahmen die frischgebackene Meisterin in die Arme, ebenso die Trainer Alois Hefter und Sebastian Staudacher vom SV Achenmühle, mit denen Anja Weiss in den vergangenen Wochen intensiv zusammengearbeitet hatte. Ihr Heimtrainer vom TuS Garching, Manfred Hubert, verfolgte den Paukenschlag zu Hause via Internet ? und war auch von den Socken: "Die Hoffnung auf eine Medaille ist schon dagewesen, Anja war ja als Drittbeste gemeldet", sagt er, "und dann gewinnt sie auch noch ..."

?Weiss selbst konnte ebenfalls kaum fassen, was sie gerade vollbracht hatte: "Ich war mal Deutsche U-16-Meisterin im Karate", erzählt die vielseitig begabte Sportlerin, "aber in der Leichtathletik ist die Konkurrenz weitaus größer." Deshalb, so ihre Schlussfolgerung, ist "dieser Titel eindeutig mein bisher schönster Erfolg".

?Vor rund fünf Jahren hatte Weiss zum ersten Mal einen Hammer in der Hand. Beim Rasenkraftsport, einer in Garching sehr populären (Rand-)Sportart, gehört Hammerwurf wie Steinstoßen und Gewichtwerfen zum Programm. Gezielt trainiert sie ihre Meisterdisziplin aber erst seit Sommer 2010, unter anderem regelmäßig in der Sportschule Oberhaching.

? Dabei war Hammerwerfen im Vorjahr nicht mal ihre Sportart Nr. 1, wie sie erzählt. "Ich musste einen 4-kg-Hammer nehmen und der war mir eigentlich zu schwer", begründet Weiss. Bei einem Körpergewicht von aktuell 64 kg sei sie zwar "relativ schnell, aber ich habe die Kraft nicht". Zwischenzeitlich forcierte die Sportskanone Karate, wo sie beim TV 1868 Burghausen zuletzt den Braungurt machte. Auch hat Weiss nach eigenen Worten "unheimlich viel Spaß" am Tennis. Talent sowieso: Im Garchinger Juniorinnen- und Damenteam spielt sie Bezirksliga.

? Dass der Deutsche Leichtathletik-Verband zu Jahresbeginn 2012 das Hammerwurf-Reglement änderte und das Sportgerät bei der U 18 nur mehr 3 kg wiegt, kam Anja Weiss sehr gelegen. Daher will sie sich heuer ganz besonders reinhängen. Ihre Ziele? "Auch im Sommer wieder vorne mitwerfen", zählt sie auf, "die Quali für den deutschen Kader, vielleicht mal ein internationales Meeting." Das Potenzial ist da: Ihre Trainer trauen ihr "leicht Weiten über 55 m" zu.