Seminarbericht Self Defence for Ladies and Gentlemen

Abteilung für Historische Kampfkünste des TUS Garching macht (Kampfsport-)Geschichte erlebbar

"David gegen Goliath"-Vergleich: Instruktor Christoph Reinberger (rechts) demonstriert die "Mendoza Guard" gegen einen erheblich größeren Gegner

Unbewaffnetes Bartitsu

"Kontrolliere den Kopf und Du kontrollierst Deinen Gegner"

Instruktor Alex Kiermayer zeigt einen "extended arm-bar"

Kunst des Vigny Stock Kampfes

Alex Kiermayer (Mitte) demonstriert die klassische “Hanging Guard” im Vigny Stock Kampf

Selbstverteidigung mit dem Gehstock gezeigt von Alex Kiermayer

Wohlverdientes Bier am Ende eines anstrengenden Trainingstages

Der Ochs-Standort Garching a.d. Alz im TuS "Alztal" Garching lud zu einem 2-Tages Seminar mit dem Thema „Geschichte der Selbstverteidigung“ ein.

Als Instruktoren konnten die international renommierten Kampfsportexperten Alexander Kiermayer (Polizeibeamter und Trainer für Polizeiliches Einsatzverhalten, Selbstverteidigung und Schießen) sowie Christoph Reinberger (Bearknuckle Boxing Club, Lungenfuchser, Trainer in Garching) gewonnen werden. 20 Teilnehmer aus dem Raum Stuttgart über Augsburg, Nürnberg, Regensburg bis Salzburg, aber auch - besonders erfreulich - vom Nachbarverein TSV Wald, konnten Techniken aus dem Bartitsu, Jiu Jitsu, Pugilism, Englischem Boxen (Bareknuckle) und dem Fechten mit dem Spazierstock unter fachkundiger Anleitung erlernen und im freien Sparring anwenden.

Gleich zu Beginn erläuterte Christoph Reinberger die präventiven Grundprinzipien der Selbstverteidigung: Die Vermeidung von potentiellen Gefahrensituation: Selbstbewusstes Auftreten, das klare Aufzeigen von Grenzen bei Verletzung des persönlichen Freiraums und die aktive Ansprache von Passanten, (Sicherheits-)personal und Polizei sind Taktiken, die aggressive Akte im Keim ersticken. Auch die Flucht ist ein absolut probates und legitimes Mittel, um körperlicher Gewalt zu entgehen. Scheint eine Konfrontation unvermeidlich, ist das Heben der Hände und ein bestimmend laut ausgerufenes "Stop" nicht nur eine letzte Möglichkeit den Angreifer zu verunsichern, sondern macht auch im rechtlichen Sinne für Zeugen klar, dass eine weitere Annäherung nicht gewünscht war und die Aggression vom Gegenüber ausgeht. Vermehrt treten Fälle auf, bei denen in Notwehr handelnde Opfer von Gewalttaten von den eigentlichen Angreifern verklagt werden. Zum Einstieg wurden diese Verhaltensweisen geübt und in Rollenspielen die Prinzipien von Nähe und persönlichem Freiraum spürbar gemacht.

In der nächsten Unterrichtseinheit ging Reinberger auf die Entwicklung des Boxsport und seiner Bedeutung für die Selbstverteidigung ein, zahlreiche Technikübungen zeigten die Unterschiede zwischen dem klassischen Faustkampf ohne Handschuhe - der im "regellosen" Straßenkampf verwurzelt ist, und dem modernen, versportlichten Boxen auf.

Nach einer stilechten Teepause, bei der die teils historisch gekleideten Teilnehmer bei Hutpflicht Tee und Cracker mit musikalischer Grammophonbegleitung genießen durften, war die nächste Einheit der Einführung in das Bartitsu durch Alexander Kiermayer gewidmet.

Bartitsu ist ein Kampfkunst und Selbstverteidigungssystem, das, von Edward William Barton Wright entwickelt, zwischen 1898 und 1902 in England aktiv gelehrt wurde und eine Kombination von Jiu Jitsu, dem Schweizer Schwingen, Elementen des Boxens und Savate (Französisches Boxens mit Fußeinsatz) darstellt. Bartitsu wurde unter anderem durch Sir Arthur Conan Doyle, dem Autoren der Sherlock Holmes Geschichten bekannt.

Zum Abschluss des ersten Seminartages traf man sich bei bestem Wetter im Gastgarten der Waldschenke Hart zu einem gemeinsamen Dinner und geselligem Meinungsaustausch.

Der 2. Seminartag begann um 7:00 mit einem Frühstücksbuffet in der Dreifachturnhalle. Ab 8:00 führte der Ortsheimatpfleger Helmut Meisl die Seminarteilnehmer durch das Garchinger Museum "Arbeiterwohnung" Salvisbergsiedlung. Der Einblick in das Alltagsleben um 1920 bot eine wertvolle Ergänzung zum Seminarthema der zeitlich um die Jahrhundertwende entstandenen Kampfsportstile. Man zeigte sich begeistert von der idyllischen Gartensiedlung, zugleich aber auch besorgt über den offensichtlichen Verfall und Verstößen gegen den Denkmalschutz. Der anschließende Spaziergang durch die Gärten bot Gelegenheit zu einem netten Plausch mit den Gartenbesitzern, ein Abriss der Geschichte des TUS Garching und der Entstehung der Garchinger "Alten" Turnhalle standen am Ende des Exkurses.

Thema des 2. Seminartages war eine weitere Besonderheit des Bartitsu, der Gebrauch des Spazierstockes als Waffe. Behandelt wurde die französische Variante nach Pierre Vigny. Zum gleichen Thema haben beide Instruktoren eine Lehr-DVD veröffentlicht.

Gegen 15:30 wurden die Seminarteilnehmer erschöpft aber an mancher Erfahrung reicher aus dem Seminar entlassen, die Instruktoren erhielten vom Standortleiter Johannes Schmitzer als kleines Dankeschön Repliken historischer Dienststöcke der englischen Bobbies überreicht.